Stiefelkante
Neues Mitglied
Hallo werte C&D Gemeinde,
es gab anlässlich des Bourbontastings die Frage, ob es hier schon einen Einstieg ins Thema "Tasting" gibt und zumindest ich wurde auch über die eigene Suche nicht wirklich fündig, weshalb ich einfach mal meine Erfahrungen mit euch teilen möchte. Zum besseren Verständnis bediene ich mich dabei dem Whisky als Beispiel, es soll dabei für alle (Spirituosen-)Tastings Gültigkeit besitzen.
Einleitung
Das Trinken von Spirituosen bietet einen bunten Strauss an Aromen, wobei besonders die Fassgelagerten durch unterschiedliche Faktoren wie etwa Holzart, Toasting, Umgebungstemperatur, Luftfeuchtigkeit und natürlich die Lagerdauer ein besonderes Geschmackserlebnis bieten. Da gibt es Rum, Whisky, Tequila und noch einige mehr. Dabei lassen sich diese Oberkategorien weiter hierarchisieren, so gibt es bei den Whiskys Single Malt, Blended Scotch, Rye, Bourbon etc.
Ein schier unüberschaubares Thema - da stellen sich die Frage:
Wie blicke ich da noch durch? Was unterscheidet einen Rye von einem Bourbon? Was schmeckt mir?
Ein Tastings, sprich das bewusste Verkosten von verschiedenen Spirituosen unter den gleichen Bedingungen soll da Klarheit schaffen. Es gibt dabei gewisse Fragestellungen, die Proben stehen untereinander im direkten Vergleich.
So kann es bei einem Whiskytasting unterschiedliche Kategorien von Whiskys geben, welche man in Flights arrangiert. Ein Flight ist eine Untereinheit des Tastings, in welchem verwandte bzw. ähnliche Sorten sich gegenüber stehen.
Im Fall des besagten Bourbontastings kann man schon entnehmen, dass man keinen Single Malt dabei hat - oder?
Je nach Ausrichter des (Blind-)Tastings kann es auch passieren, dass ein "faules Ei" (andere Spirituosenkategorie) oder die selbe Probe 2 Mal in das Paket als Kontrolle geschmuggelt wird.
Zudem möchte ich nochmal kurz darauf eingehen, dass es zwei verschiedene Typen des Tastings gibt:
1. Offenes Tasting: Die Marken der einzelnen Probanten sind bekannt.
2. Blind Tasting: Die Proben sind durchnummeriert, es können je nach Ausrichter noch Informationen wie etwa Alkoholgehalt oder Altersstufe angegeben sein. Blind Tastings sind meist informativer, da man ohne eine Vorabmeinung („Jim Beam ist ranzig“) die Produkte testet.
Was will man erfahren?
Der Vorteil eines Tastings liegt in der direkten Vergleichbarkeit der einzelnen Proben und der anschließenden Auswertung der Ergebnisse. Es gibt 2 Hauptgründe ein Tasting durchzuführen:
1. Orientierung: Man ist unerfahren in der Whiskywelt und möchte einen Überblick bekommen. Da Geschmack subjektiv ist wird es einem nicht helfen, wenn man liest, dass Bourbon frisches Holz als Charakter und Rye durch den Roggen eine würzige Persönlichkeit hat.
An einem langen Abend hat ein Forenmitglied versucht mir den Rye näher zu bringen mit dem Imperativ "Schmecke den Roggen!". Am nächsten, verkaterten Morgen hatte ich eine Idee wie Rye schmeckt, aber erst die direkte und bewusste Gegenüberstellung von Rye zu Boubon hat den gewünschten "Aha-Effekt" erbracht diese Spirituosen differenzieren zu können.
Ein Tasting mit mehreren Flights unterschiedlicher Sorten ist da hilfreich.
2. Differenzierung: Whisky (in seinen Formen) ist kein Unbekannter mehr, man sucht jedoch noch den Bourbon für die eigene Hausbar. Nun kann man auch beim Bourbon in verschiedene Altersstufen oder Brennstile unterteilen, sodass man wieder bei Punkt 1 ankommt. Hauptunterschied ist eine andere Fragestellung, da man nun eine gewisse Vorstellung von Bourbon besitzt und den passenden für den eigenen Geschmack sucht.
Vorbereitung
Nun ist es so weit, die Flaschen sind da, was passiert nun?
Als Ausrüstung für einen Tastingabend benötigt man:
Mindestens 1* Nosing-Glas , ich rate von Obstbrand-/Grappagläsern ab, da man Nosing-Gläser effektiver ausschwenken kann.
Ein Wasserglas mit einer Flasche/Karaffe Wasser daneben
Eine Pipette/Spritze/Jigger
Ein Notizzettel mit Stift
(Spucknapf ? optional)
* Es ist dennoch wirklich empfehlenswert mehrere Gläser zu haben, damit man einen ganzen Flight aus 3-4 Proben nebeneinanderstellen kann. Demnach lohnt es sich 4-6 Gläser Nosinggläser zu kaufen.
Braucht man Brot zum neutralisieren? An und für sich sollte man nichts zwischen den Proben zu sich nehmen außer Wasser, da alles weitere Reste im Mundraum hinterlässt und so den Geschmack der nächsten Proben verfälschen kann. Aber man muss es ja nicht übertreiben!
Muss ich noch etwas beachten? Die Umgebung spielt auch eine Rolle bei dem Versuch etwas zu schmecken, bzw. zu riechen. Demnach sollte man in einem möglichst neutralen Raum sitzen und nicht zuvor etwas sehr aromatisches wie etwa Knoblauch, Chilli oder Minzbonbons gegessen haben. Ferner sollte man an dem Tag auf Perfum u.ä. verzichten.
Verkostung
Nach dem ganzen Vorlauf nun zu dem Punkt, wieso ihr überhaupt angefangen habt zu lesen:
Wie hole ich nun verwertbare Informationen aus dieser bernsteinfarbenen Flüssigkeit?
Bevor man mit der ersten Whiskyprobe beginnt kann man noch seinen Geschmacksapparat auf die bevorstehende Aufgabe vorbereiten in dem man einen Whisky außerhalb der Wertung zum „Warmwerden“ trinkt, da meist der erste Schluck eines starken Alkohols eher brennt und die Geschmacksknospen betäubt, somit sonst die erste Probe unrechtmäßig schlecht abschneiden wird.
Dafür nimmt man einen guten Schluck in den Mund und schwenkt den Alkohol mit der Zunge mehrmals quer durch den kompletten Mundraum – im Grunde genauso wie ihr dann die Proben verkosten werdet.
Nun wascht das Nosingglas aus. Ich schütte mir dafür gern Wasser in das Glas, schwenke es aus und trinke dann das Wasser (hilft auch beim Neutralisieren des Geschmacks – falls das Wasser noch zu sehr nach Whisky schmeckt wiederholt den Vorgang). So tut man auch gleichzeitig etwas gegen den kommenden Wasserverlust durch Alkoholgenuss.
Farbe
Jetzt kommt die erste Probe in euer Glas. Schenkt euch einen guten Schluck, wie etwa 2 cl ein.
Die erste Beurteilung wartet auf euch: Die Farbe. Haltet das Glas vor einen weißen Hintergrund (Blatt Papier) und benutzt eure Augen. Hier als Orientierung eine kleine Farbskala. Persönlich empfinde ich die Farbe eher tückisch, da gerne mit Farbcouleur eine dunklere Farbe erzeugt wird, was man wiederum mit einem älteren Brand assoziiert.
Erwärmung und Verteilung
Legt euch das Glas schräg auf den Zeigefinger und dreht mit der anderen Hand die Flüssigkeit einmal über die ganze Glasfläche (was nur bei konischen Gläsern ohne Malheur funktioniert!). Damit benetzt ihr den größten Teil der Oberfläche und seht nicht wie ein Snob beim Weinschwenken aus. >
Umgreift den Glaskörper mit eurer Handfläche (ähnlich wie bei einem Cognacschwenker) und erwärmt den Whisky auf Handwärme (bei kalten Händen kann man modisch unschön aber effektiv sich das Glas auch zwischen die Beine klemmen). Deckt das Glas zu mit eurer Handfläche und wartet so lange, bis das Glas von innen beschlägt.
Nase und Aromen
Jetzt hat der Schottenstoff Betriebstemperatur erreicht, es sind viele flüchtige Aromen diffundiert. Nehmt die Handfläche vom Glasrand und führt euch das Glas langsam erst zum linken, dann zum rechten Nasenloch (Rebellen vertauschen die Seiten!) und atmet normal ein. Der Zinken soll nicht ins Glas und ihr sollt auch keine Schweine auf Trüffeljagd mimen, normale Bauchatmung reicht völlig aus.
Schreibt euch auf, was ihr riecht. Tückisch hierbei ist das Vokabular! So gibt es zum beschreiben von Aromen einen eigenen Fachjargon, unglücklicherweise aber keinen universell gültigen. Besonders bei Champagner mag man als Außenstehender über die Begrifflichkeiten schmunzeln, wenn es z.B. um „massive Eleganz“ geht
Hier ein Beispiel für Bourbon Aromen in einem Aromenrad.
Arbeitet euch von der Mitte nach außen. Z.B. findet man Holz passend, dann differenziert man es zu Eichenholz und erkennt rauchige Noten. Also rauchiges Eichenfass.
Da wären wir bei der nächsten Hürde:
Kenne ich den Geschmack von Eichenholz, bzw. die Unterschiede zu Pinie?
Dieses Rad ist deshalb nur ein grober Anhaltspunkt für Freizeitverkostungen. Beim Bourbontasting ist ein Rad in der Auswertung und auch genügend Platz für eigene Notizen, sodass man sich auf eine gemeinsame Basis geeinigt hat, aber dennoch seine ganz eigenen Gedanken zu Papier bringen darf. Möchte man also nach einem Tasting eine Auswertung der Teilnehmer vornehmen, wäre ein gemeinsames Vokabular wünschenswert, aber nicht notwendig.
Geschmack
Der große Moment, er naht! Endlich dürft ihr das Glas zu euren Lippen führen und den ersten Schluck nehmen. Seid nicht zu vorsichtig, es muss schon ein guter Schluck sein um auch ordentlich etwas zu schmecken. Vergesst dabei eure Manieren und schlürft den Whisky genüsslich. Das Ansaugen von Luft holt das Bouquet zu euch. Hier mögen vielleicht einige widersprechen, da man sich das Lebenswasser auch in den Mund vorsichtig laufen lassen kann um dann einen Ersteindruck zu bekommen. Wie ihr nun auch den Whisky in den Mund holt, einmal im Mund verteilt ihn im kompletten Mundraum, als würdet ihr eine Spülung benutzen. Von außen betrachtet sieht es fast wie ein Kauen aus. Neigt den Kopf nach unten und zieht durch einen Kussmund Luft durch das Destillat (Vorsicht: Man verschluckt sich leicht!). Wiederholt dieses Prozedere so lange, bis ihr euch ein Geschmacksbild von dem Whisky machen konntet.
Nachklang
Nun heißt es: Schlucken oder spucken. An und für sich ist es spaßiger dem Destillat nun auch die letzte Ehre zu erweisen, doch man liefert sich den mannigfaltigen Wirkungen des Alkohols aus, sodass man bei längeren Verkostungen am Stück am Ende keinen klaren Kopf mehr behält. Bei Heimverkostungen kann man das Tasting auf mehrere Tage innerhalb eines kürzeren Zeitraums legen.
Beim Ausspucken bekommt man dennoch nicht den kompletten Mundraum leer, also kann man auch dort einen (abgeschwächten) Nachklang nach dem Schlucken erleben.
Dieser ist nun das letzte Wertungskriterium der Verkostung. Nachdem man also geschluckt hat atmet man kräftig aus dem Mund und hält inne. Ist dieses warme Gefühl in der Kehle lang anhaltend? Was kamen da für Aromen beim Ausatmen zu Tage? Wie lange halten sich diese Aromen?
Persönlich schließe ich nach diesem Moment den Mund und atme in den Mund und durch die Nase aus.
Der nächste Schluck
Nachdem man seinen ersten Schluck verlebt hat und vielleicht kurz mit Wasser zwischengespült hat, kann der nächste Schluck sich anders darstellen. Manche (besonders alte] Produkte brauchen zwei – drei Minuten zum „atmen“, um ihr komplettes Bouquet zu entfalten.
Außerdem kann man mit einer Pipette, Spritze oder einem ähnlich feinen Instrument (klassisch sind kleine Karaffen) ein paar Tropfen Wasser dazugeben, um das Destillat zu verdünnen, was besonders bei Faßstärke eine Rolle spielen kann, da 60% bei 25°C nicht besonders angenehm im Mundraum sind.
Wertung
Mit Farbe, Nase, Geschmack und Nachklang ergibt sich nun ein Gesamtbild. Dieses kann man in einer Wertungszahl zusammenfassen. Zu empfehlen ist dabei, sich eine vorläufige Note zu notieren und falls es die Probengröße zulässt noch einen Rest für eine spätere Konsultation zurückzuhalten. In der Mitte oder gegen Ende der Verkostung hat man viele Vergleichsobjekte an die Hand (bzw. in den Mund) bekommen, sodass nun eine endgültige Note gefunden werden kann.
Dabei kann man Unternoten für jedes Wertungskriterium haben um dann in einer Gewichtung die Gesamtnote zu errechnen oder einfach das Bauchgefühl entscheiden lassen.
Letztlich geht es bei der Note um den eigenen Eindruck, wie sehr euch das dargestellte Bild gefällt. Manchmal gibt es noch weitere Fragen, z.B. „Ist in dem Produkt das enthalten, was ich bei diesem Produkt erwarte?“. So hab ich mich beim Williamsbrandtasting dieses Forums auch immer wieder hinterfragt, ob der Brand im Glas eine Williamsbirne für mich ist. Und weil wir im Cocktailforum sind gab es auch hin und wieder den Gedanken, dass Brand XY mir Lust auf einen Sour, Martini etc. macht, was vielleicht auch in die Wertung fließen kann („spezielles Produkt, eher nicht pur, dafür im Sour eine Wucht“).
All diese Aspekte und Kriterien können vorher bestimmt worden sein oder man lässt den Tastern größtmögliche Freiheit, aber das entscheidet sich von Fall zu Fall und je nach Zielsetzung der Verkostung.
Neugierig und geduldig sein zahlt sich aus, ebenso wie Tastingnotizen anderer zu lesen! Also traut euch und verkostet bei jeder Gelegenheit.
Jetzt sind eure Augen müde und der Durst wird immer größer,
weshalb ich mich für eure Aufmerksamkeit bedanke – Prost! *ein Glas Rittenhouse BiB zum Gruße*
Euer Steve
PS: Dies ist die allererste Version und an einem Abend zusammengeschustert. Es muss also noch gefeilt werden. Also bitte ganz viel Kritik, ich verbessere den Artikel fortlaufend.
PPS: Die Technik des Verkostens hab ich von der werten Julia Nourney!
es gab anlässlich des Bourbontastings die Frage, ob es hier schon einen Einstieg ins Thema "Tasting" gibt und zumindest ich wurde auch über die eigene Suche nicht wirklich fündig, weshalb ich einfach mal meine Erfahrungen mit euch teilen möchte. Zum besseren Verständnis bediene ich mich dabei dem Whisky als Beispiel, es soll dabei für alle (Spirituosen-)Tastings Gültigkeit besitzen.
Einleitung
Das Trinken von Spirituosen bietet einen bunten Strauss an Aromen, wobei besonders die Fassgelagerten durch unterschiedliche Faktoren wie etwa Holzart, Toasting, Umgebungstemperatur, Luftfeuchtigkeit und natürlich die Lagerdauer ein besonderes Geschmackserlebnis bieten. Da gibt es Rum, Whisky, Tequila und noch einige mehr. Dabei lassen sich diese Oberkategorien weiter hierarchisieren, so gibt es bei den Whiskys Single Malt, Blended Scotch, Rye, Bourbon etc.
Ein schier unüberschaubares Thema - da stellen sich die Frage:
Wie blicke ich da noch durch? Was unterscheidet einen Rye von einem Bourbon? Was schmeckt mir?
Ein Tastings, sprich das bewusste Verkosten von verschiedenen Spirituosen unter den gleichen Bedingungen soll da Klarheit schaffen. Es gibt dabei gewisse Fragestellungen, die Proben stehen untereinander im direkten Vergleich.
So kann es bei einem Whiskytasting unterschiedliche Kategorien von Whiskys geben, welche man in Flights arrangiert. Ein Flight ist eine Untereinheit des Tastings, in welchem verwandte bzw. ähnliche Sorten sich gegenüber stehen.
Im Fall des besagten Bourbontastings kann man schon entnehmen, dass man keinen Single Malt dabei hat - oder?
Je nach Ausrichter des (Blind-)Tastings kann es auch passieren, dass ein "faules Ei" (andere Spirituosenkategorie) oder die selbe Probe 2 Mal in das Paket als Kontrolle geschmuggelt wird.
Zudem möchte ich nochmal kurz darauf eingehen, dass es zwei verschiedene Typen des Tastings gibt:
1. Offenes Tasting: Die Marken der einzelnen Probanten sind bekannt.
2. Blind Tasting: Die Proben sind durchnummeriert, es können je nach Ausrichter noch Informationen wie etwa Alkoholgehalt oder Altersstufe angegeben sein. Blind Tastings sind meist informativer, da man ohne eine Vorabmeinung („Jim Beam ist ranzig“) die Produkte testet.
Was will man erfahren?
Der Vorteil eines Tastings liegt in der direkten Vergleichbarkeit der einzelnen Proben und der anschließenden Auswertung der Ergebnisse. Es gibt 2 Hauptgründe ein Tasting durchzuführen:
1. Orientierung: Man ist unerfahren in der Whiskywelt und möchte einen Überblick bekommen. Da Geschmack subjektiv ist wird es einem nicht helfen, wenn man liest, dass Bourbon frisches Holz als Charakter und Rye durch den Roggen eine würzige Persönlichkeit hat.
An einem langen Abend hat ein Forenmitglied versucht mir den Rye näher zu bringen mit dem Imperativ "Schmecke den Roggen!". Am nächsten, verkaterten Morgen hatte ich eine Idee wie Rye schmeckt, aber erst die direkte und bewusste Gegenüberstellung von Rye zu Boubon hat den gewünschten "Aha-Effekt" erbracht diese Spirituosen differenzieren zu können.
Ein Tasting mit mehreren Flights unterschiedlicher Sorten ist da hilfreich.
2. Differenzierung: Whisky (in seinen Formen) ist kein Unbekannter mehr, man sucht jedoch noch den Bourbon für die eigene Hausbar. Nun kann man auch beim Bourbon in verschiedene Altersstufen oder Brennstile unterteilen, sodass man wieder bei Punkt 1 ankommt. Hauptunterschied ist eine andere Fragestellung, da man nun eine gewisse Vorstellung von Bourbon besitzt und den passenden für den eigenen Geschmack sucht.
Vorbereitung
Nun ist es so weit, die Flaschen sind da, was passiert nun?
Als Ausrüstung für einen Tastingabend benötigt man:
Mindestens 1* Nosing-Glas , ich rate von Obstbrand-/Grappagläsern ab, da man Nosing-Gläser effektiver ausschwenken kann.
Ein Wasserglas mit einer Flasche/Karaffe Wasser daneben
Eine Pipette/Spritze/Jigger
Ein Notizzettel mit Stift
(Spucknapf ? optional)
* Es ist dennoch wirklich empfehlenswert mehrere Gläser zu haben, damit man einen ganzen Flight aus 3-4 Proben nebeneinanderstellen kann. Demnach lohnt es sich 4-6 Gläser Nosinggläser zu kaufen.
Braucht man Brot zum neutralisieren? An und für sich sollte man nichts zwischen den Proben zu sich nehmen außer Wasser, da alles weitere Reste im Mundraum hinterlässt und so den Geschmack der nächsten Proben verfälschen kann. Aber man muss es ja nicht übertreiben!
Muss ich noch etwas beachten? Die Umgebung spielt auch eine Rolle bei dem Versuch etwas zu schmecken, bzw. zu riechen. Demnach sollte man in einem möglichst neutralen Raum sitzen und nicht zuvor etwas sehr aromatisches wie etwa Knoblauch, Chilli oder Minzbonbons gegessen haben. Ferner sollte man an dem Tag auf Perfum u.ä. verzichten.
Verkostung
Nach dem ganzen Vorlauf nun zu dem Punkt, wieso ihr überhaupt angefangen habt zu lesen:
Wie hole ich nun verwertbare Informationen aus dieser bernsteinfarbenen Flüssigkeit?
Bevor man mit der ersten Whiskyprobe beginnt kann man noch seinen Geschmacksapparat auf die bevorstehende Aufgabe vorbereiten in dem man einen Whisky außerhalb der Wertung zum „Warmwerden“ trinkt, da meist der erste Schluck eines starken Alkohols eher brennt und die Geschmacksknospen betäubt, somit sonst die erste Probe unrechtmäßig schlecht abschneiden wird.
Dafür nimmt man einen guten Schluck in den Mund und schwenkt den Alkohol mit der Zunge mehrmals quer durch den kompletten Mundraum – im Grunde genauso wie ihr dann die Proben verkosten werdet.
Nun wascht das Nosingglas aus. Ich schütte mir dafür gern Wasser in das Glas, schwenke es aus und trinke dann das Wasser (hilft auch beim Neutralisieren des Geschmacks – falls das Wasser noch zu sehr nach Whisky schmeckt wiederholt den Vorgang). So tut man auch gleichzeitig etwas gegen den kommenden Wasserverlust durch Alkoholgenuss.
Farbe
Jetzt kommt die erste Probe in euer Glas. Schenkt euch einen guten Schluck, wie etwa 2 cl ein.
Die erste Beurteilung wartet auf euch: Die Farbe. Haltet das Glas vor einen weißen Hintergrund (Blatt Papier) und benutzt eure Augen. Hier als Orientierung eine kleine Farbskala. Persönlich empfinde ich die Farbe eher tückisch, da gerne mit Farbcouleur eine dunklere Farbe erzeugt wird, was man wiederum mit einem älteren Brand assoziiert.
Erwärmung und Verteilung
Legt euch das Glas schräg auf den Zeigefinger und dreht mit der anderen Hand die Flüssigkeit einmal über die ganze Glasfläche (was nur bei konischen Gläsern ohne Malheur funktioniert!). Damit benetzt ihr den größten Teil der Oberfläche und seht nicht wie ein Snob beim Weinschwenken aus. >
Umgreift den Glaskörper mit eurer Handfläche (ähnlich wie bei einem Cognacschwenker) und erwärmt den Whisky auf Handwärme (bei kalten Händen kann man modisch unschön aber effektiv sich das Glas auch zwischen die Beine klemmen). Deckt das Glas zu mit eurer Handfläche und wartet so lange, bis das Glas von innen beschlägt.
Nase und Aromen
Jetzt hat der Schottenstoff Betriebstemperatur erreicht, es sind viele flüchtige Aromen diffundiert. Nehmt die Handfläche vom Glasrand und führt euch das Glas langsam erst zum linken, dann zum rechten Nasenloch (Rebellen vertauschen die Seiten!) und atmet normal ein. Der Zinken soll nicht ins Glas und ihr sollt auch keine Schweine auf Trüffeljagd mimen, normale Bauchatmung reicht völlig aus.
Schreibt euch auf, was ihr riecht. Tückisch hierbei ist das Vokabular! So gibt es zum beschreiben von Aromen einen eigenen Fachjargon, unglücklicherweise aber keinen universell gültigen. Besonders bei Champagner mag man als Außenstehender über die Begrifflichkeiten schmunzeln, wenn es z.B. um „massive Eleganz“ geht
Hier ein Beispiel für Bourbon Aromen in einem Aromenrad.
Arbeitet euch von der Mitte nach außen. Z.B. findet man Holz passend, dann differenziert man es zu Eichenholz und erkennt rauchige Noten. Also rauchiges Eichenfass.
Da wären wir bei der nächsten Hürde:
Kenne ich den Geschmack von Eichenholz, bzw. die Unterschiede zu Pinie?
Dieses Rad ist deshalb nur ein grober Anhaltspunkt für Freizeitverkostungen. Beim Bourbontasting ist ein Rad in der Auswertung und auch genügend Platz für eigene Notizen, sodass man sich auf eine gemeinsame Basis geeinigt hat, aber dennoch seine ganz eigenen Gedanken zu Papier bringen darf. Möchte man also nach einem Tasting eine Auswertung der Teilnehmer vornehmen, wäre ein gemeinsames Vokabular wünschenswert, aber nicht notwendig.
Geschmack
Der große Moment, er naht! Endlich dürft ihr das Glas zu euren Lippen führen und den ersten Schluck nehmen. Seid nicht zu vorsichtig, es muss schon ein guter Schluck sein um auch ordentlich etwas zu schmecken. Vergesst dabei eure Manieren und schlürft den Whisky genüsslich. Das Ansaugen von Luft holt das Bouquet zu euch. Hier mögen vielleicht einige widersprechen, da man sich das Lebenswasser auch in den Mund vorsichtig laufen lassen kann um dann einen Ersteindruck zu bekommen. Wie ihr nun auch den Whisky in den Mund holt, einmal im Mund verteilt ihn im kompletten Mundraum, als würdet ihr eine Spülung benutzen. Von außen betrachtet sieht es fast wie ein Kauen aus. Neigt den Kopf nach unten und zieht durch einen Kussmund Luft durch das Destillat (Vorsicht: Man verschluckt sich leicht!). Wiederholt dieses Prozedere so lange, bis ihr euch ein Geschmacksbild von dem Whisky machen konntet.
Nachklang
Nun heißt es: Schlucken oder spucken. An und für sich ist es spaßiger dem Destillat nun auch die letzte Ehre zu erweisen, doch man liefert sich den mannigfaltigen Wirkungen des Alkohols aus, sodass man bei längeren Verkostungen am Stück am Ende keinen klaren Kopf mehr behält. Bei Heimverkostungen kann man das Tasting auf mehrere Tage innerhalb eines kürzeren Zeitraums legen.
Beim Ausspucken bekommt man dennoch nicht den kompletten Mundraum leer, also kann man auch dort einen (abgeschwächten) Nachklang nach dem Schlucken erleben.
Dieser ist nun das letzte Wertungskriterium der Verkostung. Nachdem man also geschluckt hat atmet man kräftig aus dem Mund und hält inne. Ist dieses warme Gefühl in der Kehle lang anhaltend? Was kamen da für Aromen beim Ausatmen zu Tage? Wie lange halten sich diese Aromen?
Persönlich schließe ich nach diesem Moment den Mund und atme in den Mund und durch die Nase aus.
Der nächste Schluck
Nachdem man seinen ersten Schluck verlebt hat und vielleicht kurz mit Wasser zwischengespült hat, kann der nächste Schluck sich anders darstellen. Manche (besonders alte] Produkte brauchen zwei – drei Minuten zum „atmen“, um ihr komplettes Bouquet zu entfalten.
Außerdem kann man mit einer Pipette, Spritze oder einem ähnlich feinen Instrument (klassisch sind kleine Karaffen) ein paar Tropfen Wasser dazugeben, um das Destillat zu verdünnen, was besonders bei Faßstärke eine Rolle spielen kann, da 60% bei 25°C nicht besonders angenehm im Mundraum sind.
Wertung
Mit Farbe, Nase, Geschmack und Nachklang ergibt sich nun ein Gesamtbild. Dieses kann man in einer Wertungszahl zusammenfassen. Zu empfehlen ist dabei, sich eine vorläufige Note zu notieren und falls es die Probengröße zulässt noch einen Rest für eine spätere Konsultation zurückzuhalten. In der Mitte oder gegen Ende der Verkostung hat man viele Vergleichsobjekte an die Hand (bzw. in den Mund) bekommen, sodass nun eine endgültige Note gefunden werden kann.
Dabei kann man Unternoten für jedes Wertungskriterium haben um dann in einer Gewichtung die Gesamtnote zu errechnen oder einfach das Bauchgefühl entscheiden lassen.
Letztlich geht es bei der Note um den eigenen Eindruck, wie sehr euch das dargestellte Bild gefällt. Manchmal gibt es noch weitere Fragen, z.B. „Ist in dem Produkt das enthalten, was ich bei diesem Produkt erwarte?“. So hab ich mich beim Williamsbrandtasting dieses Forums auch immer wieder hinterfragt, ob der Brand im Glas eine Williamsbirne für mich ist. Und weil wir im Cocktailforum sind gab es auch hin und wieder den Gedanken, dass Brand XY mir Lust auf einen Sour, Martini etc. macht, was vielleicht auch in die Wertung fließen kann („spezielles Produkt, eher nicht pur, dafür im Sour eine Wucht“).
All diese Aspekte und Kriterien können vorher bestimmt worden sein oder man lässt den Tastern größtmögliche Freiheit, aber das entscheidet sich von Fall zu Fall und je nach Zielsetzung der Verkostung.
Neugierig und geduldig sein zahlt sich aus, ebenso wie Tastingnotizen anderer zu lesen! Also traut euch und verkostet bei jeder Gelegenheit.
Jetzt sind eure Augen müde und der Durst wird immer größer,
weshalb ich mich für eure Aufmerksamkeit bedanke – Prost! *ein Glas Rittenhouse BiB zum Gruße*
Euer Steve
PS: Dies ist die allererste Version und an einem Abend zusammengeschustert. Es muss also noch gefeilt werden. Also bitte ganz viel Kritik, ich verbessere den Artikel fortlaufend.
PPS: Die Technik des Verkostens hab ich von der werten Julia Nourney!