Das Schmecken

Kuglblitz

Neues Mitglied
Ich möchte hier ein Thema anschneiden, das meines Erachtens viel zu kurz kommt: Das Schmecken - oder anders ausgedrückt:

Wie rezipiert man Cocktails?

Es ist wie in der Musik: wir investieren Unsummen in die künstlerische Ausbildung und in die Produktion, doch vernachlässigen wir zugleich die Bildung des Hörens, des bewussten und kritischen Rezipierens der Sinneseindrücke.
Ähnlich auch in der Kunst der Cocktails: Wir unterhalten uns pausenlos über Zutaten, Mixturen und Marken, wenn es aber darum geht, die Ergebnisse unserer Kunst zu thematisieren, sind wir stumm.

Dabei sind Cocktails hier eine ausgesprochen dankbare Materie, reduzieren sie - ev. abgefeuert durch eine Zeste - den wesentlichsten Sinneeindruck doch auf - das Schmecken. Denn kalte Getränke riechen nicht.

Dies machte mir Cocktails auch lange Zeit suspekt, gehört das Nosing, der Erschnüffeln von Spirituosen wie Whisk(e)y, Cognac, Calvados oder Rum doch zu den schönsten sinnlichen Erlebnissen, die einem die Welt der Ethanole bieten können.
Und über die Art, etwa gute Malts adäquat zu erriechen, wird seitenweise publiziert.


Warum nicht auch bei Cocktails?
Ist der (auch für mich oft herbe) Verlust der Nase hier so niederschmetternd, stumm zu sein?

Nun, ich denke nicht, habe ich doch für mich eine Cocktailrezeption entdeckt, die ich einerseits aus dem Wein- anderseits aus dem Saucengenuss kenne: die Flüssigkeit lange im Mund zu schwenken, das langsame Erwärmen und damit die verschiedenen Aromen bewusst wahrzunehmen und auszukosten, und dann den Abgang (oder oft: die Abgänge) zu verfolgen. Und am Ende jeden guten Schluckes mit Erstaunen die Komplexität der geschmacklichen Kombination noch immer nachzuschmecken.
Das kann keine andere Speise in dieser Plastizität.

Gute Cocktails werden so mich mich so zu janusköpfigen Gebilden zwischen guter Küche und Getränken, zu Zeugen, dass eine gute Kombination reiner Flüssigkeiten oft mehr ist als die Summe der Einzelteile; so gute diese auch pur schmecken mögen.

Auf jeden Fall hat es die bewusste, ästhetische (im ursprünglichen Sinn als Philosophie der Wahrnehmung) und wache Rezeption von Cocktails - das Schmecken - verdient, ernst genommen zu werden.

 
Hervorragender Text, Kuglblitz - gut durchdacht, exzellent formuliert.


Auf jeden Fall hat es die bewusste, ästhetische (im ursprünglichen Sinn als Philosophie der Wahrnehmung) und wache Rezeption von Cocktails - das Schmecken - verdient, ernst genommen zu werden.
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Absolut. - Deshalb haben wir bei Trinklaune den Untertitel: Denken - Schmecken - Geniessen.
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Dabei sind Cocktails hier eine ausgesprochen dankbare Materie, reduzieren sie - ev. abgefeuert durch eine Zeste - den wesentlichsten Sinnesänderung doch auf - das Schmecken. Denn kalte Getränke riechen nicht.
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Jein.
Es stimmt. Wodkashots funktionieren nur weil man sie eiskalt runterkippen kann.
Aber wir riechen schon etwas beim Cocktailgenuss.
Vorallem retronasal, quasi durch den Hintereingang der Nase.
Die Intensität des Abgangs ist auch eine Funktion der retronasalen Wahrnehmung.
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Nun, ich denke nicht, habe ich doch für mich eine Cocktailrezeption entdeckt, die ich einerseits aus dem Wein- anderseits aus dem Saucengenuss kenne: die Flüssigkeit lange im Mund zu schwenken ,das langsame Erwärmen und damit die verschiedenen Aromen bewusst wahrzunehmen und auszukosten, und dann den Abgang (oder oft: die Abgänge) zu verfolgen.
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Genau. - Alles drin, was der Angloamerikaner wie folgt unterscheidet:
-die Flüssigkeit lange im Mund zu schwenken
-das langsame Erwärmen -
-verschiedene Aromen bewusst wahrzunehmen und auszukosten
und dann den Abgang (oder oft: die Abgänge) -
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Klasse Kuglblitz. - Ich hoffe auf Fortsetzungen...
 
Super Beitrag. Ich stehe des öfteren mal vor meinen Regalen und schnüffle einfach mal an ein paar Flaschen und auch gerade bei Tastings nehme ich mir etwas mehr Zeit zu riechen und es ist immer wieder spannend. Ich denke ein ganz großes Probelm ist, das die meisten verlernt haben richtig zu riechen, gerade was feinere Nuancen oder auch bestimmte Gerüche angeht und ich will mich da garnicht ausschliessen.
Riechen und schmecken sind zwei Sachen die man trainieren muss und zwar ein Leben lang. Gelerntes kann da auch ganz schnell wieder verschwinden.
Aber es macht unheimlich Spaß so nach und nach immer mehr schmecken/riechen zu können.

Evtl. ist auch das ein Grund warum soviele die puristischen Cocktails nicht mögen, wie im Thread Qualität von Cocktails ja auch schon angesprochen. Manche können halt mit dem geruch/Geschmack nichts anfangen und dann ist es besser etwas seichtes zu nehmen.
 
Dank für diesen Beitrag. Ich selber bin von Wein über Whisky zu den Cocktails gekommen. Daher verstehe ich dich sehr gut.

Die grösste Umstellung für mich war die Temperatur. Einen Whisky on the Rocks war und ist eine Untat für mich. Denn grade mit der Temperatur entfaltet sich der Geschmack. Aber damit will ich hier gar nicht erst anfangen. Dazu muss ich mich noch viel mehr 'eindringen' bei den Cocktails. Btw. ich trink so manchen Whisky auch gerne old fashioned.

Aber ich empfinde das Trinken von solchen Getränken als Genuss. Klar ist die Geselligkeit ein ganz wichtiger Faktor beim trinken. Aber für mich ist das Getränk immer noch sehr wichtig. Es ist einfach die Befriedigung der Sinne. Wenn ich ein gut balancierten Drink trinke, ist dies ein Glücksmoment für mich. Ich bekomme dann ein lächeln auf die Lippen und eine Entspannung stellt sich ein.

Wollen wir die Phasen des Trinken genauer anschauen:

Rotwein: Das Entkorken der Flasche und das langsame dekantieren.
Whisky: Das "Plomben" der Flasche beim öffnen und der satte Sound beim einschenken. Die Farbe… *träum*
Cocktails: Diese werden noch viel mehr zelebriert. Denn das Mixen ist das Vorspiel…. dazu muss ich, in diesen kreis, wohl nicht viel sagen. Dann das beschlagene Glas. Ein beschlagenes Glas macht schon richtig Lust.

Der Geruch:
Hier kann man Cocktails nicht mit Whiskys oder Rotweinen vergleichen. Ich selber würde das auf die Temperatur zurückführen. Was ich wirklich schade finde. Den wir schmecken, wie schon von Alchemist angesprochen, auch mit unsere Nase.

Bei Cocktails kommt dann die Krönung. Der Augenblick wenn die Flüssigkeit auf die Zunge kommt. Denn ich finde schon, dass sich ein Cocktail verändert. Aber es ist nicht nur der Geschmack. Auch die Textur verändert sich. Die kleinen Eiskristalle, die im Mund schmelzen… Klar ist hier ein schöner Whisky auch wieder eine ganz andere Sache.

Allerdings, und da fehlt mir vielleicht auch die Erfahrung, hab ich bis jetzt noch keinen langanhaltenden Abgang, bei Cocktails, erfahren dürfen. Etwas was ich von Whiskys gewohnt bin und liebe.

Aber vielleicht können uns an dieser stelle ein paar der 'alten' Hasen helfen. Gibt uns doch mal Beispiele für Cocktails, die bestimmt Aspekte des Genusses besonders gut zeigen.

PS: Für mich sind Whiskys und Cocktails nicht wirklich zu vergleichen. Denn ich trinke sie zu anderen Anlässen. Ich trinke Cocktails eher zur Geselligkeit und Whiskys zum entspannen nach einem langen Tag.
 
Wenn du einen langen Abgang möchtest, würde ich dir den Drink Purgatory Nahe legen.
 
Danke für den Tipp!

Ich werd ich mal probieren.
 
Viele lieben Dank an alle für die schönen Kommentare. :)

Angeregt zu dem Text hat mich übrigens der Genuss eines Dandy Cocktails nach einem Rezept im aktuellen diffordsguide, adaptiert nach von Harry Craddock's "The Savoy Cocktail Book" (1930):

1,5 oz Bourbonn (Markers Mark)
1,5 oz Dubbonet
0,5 oz Cointreau
1 dash Angostura

Shaken und Fine strain
Zitronen- oder Orangenzeste

Sehhhhr lecker! ^-^
 
Ein toller Text und wichtiger Ansatz Kuglblitz.

Der bewusste Genuss, der Zeit braucht, ist für mich ein wichtiger Faktor bei der Wahl meines Getränkes. In einer geselligen Runde mit sechs FReunden wäre mein erster Drink selten ein Manhattan, eher ein Gin Tonic oder ein Sour. Habe ich Zeit und Ruhe, ist es umgekehrt...
 
Kuglblitz, kannst du mal deinen Eindruck zum "Dandy" schildern?
Ich überlege gerade ob ich den mal versuche und mit deswegen noch Angostura kaufen soll... ;)
 
Angostura wirst du früher oder später in jedem Fall brauchen ;) Ist ja außerdem auch nicht DIE Rieseninvestition =)
 
Nee, das nicht. Hab bisher nur keine Verwendung gehabt, doch es gibt ja einige Cocktails die danach verlangen. ;)
 
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