Systematische Einordnung: Core-Balance-Seasoning

Old Sour

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Um die Funktionsweise dieser Archetypen noch besser zu verstehen, werfen wir einen Blick auf die drei funktionalen Hauptkomponenten nach dem Cocktail Codex:
  • Core: Der Hauptbestandteil – meist eine Spirituose. Er bildet das geschmackliche Fundament.
  • Balance: Harmonisiert den Core – etwa durch Zucker, Säure oder VerdĂĽnnung. Sie bringt das Getränk ins Gleichgewicht.
  • Seasoning: Gibt WĂĽrze oder Tiefe – zum Beispiel durch Bitters, Kräuter oder GewĂĽrze. Sie verfeinert und akzentuiert den Geschmack.
Diese Struktur funktioniert archetypisch. Das heißt: Je nach Cocktailfamilie verändert sich die Rolle der Balance. Die einfachste Denkweise verläuft dabei entlang einer Linie: Core → Balance → Seasoning. So wird aus einer dominanten Basis ein stimmiges Ganzes.

Schauen wir uns konkrete Beispiele an, wie sich diese Dreiteilung in unseren Archetypen widerspiegelt:

Old Fashioned
Rye (Core) → Zucker (Balance) → Bitters (Seasoning)
Der Zucker harmonisiert die Strenge des Rye und verbindet ihn mit der Aromatik der Bitters.

Sour
Rum (Core) → Limette & Zucker (Balance) → optional z. B. Salzrand, Kräuter (Seasoning)
Die Spannung entsteht aus der Polarität von Säure und Süsse. Ein eventuelles Seasoning tritt hier in den Hintergrund, kann aber feine Nuancen hinzufügen.

Highball
Bourbon (Core) → Ginger Ale (Balance durch Verdünnung) → Zitronenzeste (Seasoning)
Die Balance liegt im Auflösen der Intensität, wodurch der Drink leicht und zugänglich wird. Das Seasoning bleibt subtil und unterstützt die Frische.

Flip
Sherry (Core) → Zucker & Ei/Sahne (Balance durch Fülle und Süsse) → Muskatnuss (Seasoning)
Hier schafft die Balance eine weiche, runde Textur und ein sattes MundgefĂĽhl. Das Seasoning vertieft den Genusseindruck.​



Dieses Modell ist nicht starr. Komponenten können auch wegfallen – etwa beim Daiquiri, der ohne Seasoning auskommt und dennoch perfekt ist. Wichtig ist nicht das dogmatische Anwenden, sondern das Denken in Funktionen.

Unsere vier Archetypen lassen sich somit als grundlegende Baupläne für zahlreiche Drinks nutzen:

Old Fashioned: z. B. Bourbon Old Fashioned
Sour: z. B. Daiquiri
Highball: z. B. Whiskey Highball
Flip: klassischer Flip mit aufgespriteter Wein, Zucker, Ei

Verändert man einzelne Komponenten innerhalb dieser Baupläne, entstehen neue Drinks. Man kann alles ersetzen: Core, Balance oder Seasoning. Ein klassisches Beispiel: Ersetze im Old Fashioned den Zucker durch süssen Wermut – entsteht der Manhattan. Und so weiter, der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Der Cocktail Codex geht hier noch weiter: Wird z. B. im Old Fashioned die Balance durch Wermut ersetzt, entsteht für sie eine neue Oberkategorie – etwa die Martini-Familie. Ein Sour mit Likör-Balance wird zur Sidecar-Familie. Ich halte diese feine Aufgliederung für absolut nachvollziehbar, würde sie aber nicht als eigene Archetypen führen. Entscheidend bleibt für mich die grundlegende Funktion der Komponenten innerhalb des jeweiligen Schemas.
 
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