Kleinere Cocktails erfordern mehr Genauigkeit beim Messen, keine Frage (mit zB einer handelsüblichen 20ml-Spritze schnell und problemlos möglich). Und sicherlich wird da einiges auch ungenauer, es gibt aber im Spezialfall Tasting auch einiges, was bei größeren Cocktails zu Ungenauigkeiten führt. Ich möchte (auch wenn sich die Geister hier sicher nach wie vor scheiden werden) ein paar Argumente für kleinere Cocktails (Ti Punch) anführen.
1.) Für mehrere kleinere Cocktails kann ein Sour-Premix verwendet werden, dies erhöht die Vergleichbarkeit
2.) Eiswürfel können abgezählt werden, das ist besser reproduzierbar was das Schmelzwasser angeht als mit einer großen Schaufel (Zählen geht bei großen natürlich auch...)
3.) Man kann mehrere kleine Cocktails direkt nebeneinander Vergleichen ohne die Wirkung des Alkohols zu sehr fürchten zu müssen.
4.) Wer von 4cl zB nur 2cl verbraucht, kann mit den anderen 2cl später nochmal einzelne Proben direkt vergleichen ODER noch besser: er kann von einem Tasting-Tag zum nächsten ein Sample als Referenz doppelt tasten
Natürlich ist an einem Abend nur eine begrenzte Anzahl Samples taste-bar, sonst stumpft das Geschmacksempfinden ab. Ich möchte aber an den Old Overhold erinnern, dem hääte mehr direkter Vergleich gut getan.
Ich glaube es ist wichtig, dass jeder Tester sinnvolle Wertungen abgibt, dahingehend, dass zischen einer 4 und einer 6 auch ein Unterschied besteht. Das ist mit tasten und erinnern an verschiedenen Tagen nicht immer gegeben (gerade wenn jemand wie ich völlig neu bei Tastings und bei Rhum Agricole ist...). Ob die Wertungen dann nach exakt dem gleichen Rezept wie bei Tester B entstanden sind ist doch eher unwichtig, Tester B hat ja auch einen anderen Geschmack, eine andere Limette, eine andere Temperatur im Eisfach, gibt grundsätzlich einen Punkt weniger (weil er lieber A-Saftschorle trinkt als Alkohol, aber das macht nachher mathematisch fast nichts aus)...
Jeder Taster sollte also seine Samples unter möglichst gleichen und gut vergleichbaren Bedingungen tasten, sodass er eine in sich schlüssige und faire Bewertung bekommt.
Das ist denke ich viel, viel wichtiger, als dass die Tester untereinander die gleichen Bedingungen haben. Und daher halte ich bei einem Tasting Mini-Cocktails (wenn sie unter möglichst reproduzierbaren Bedingungen gemixt werden) trotz ihrer Nachteile für sinnvoll. Und ich denke auch, dass so entstandene Wertungen durchaus einberechnet werden können und sogar unbedingt sollen.
Viele Grüße
realCOTO
P.S: Ich taste aktuell noch am Rhum Agricole und zwar mit 2cl-Rhum-"Mini"-Cocktails. Ich mache das so, weil ich das für mich persönlich (auch weiter Argumente wie zB Geldbeutel beim Einkauf) so als am besten empfinde. Ob meine Wertungen aufgenommen werden oder nicht, das darf gerne jemand anderes entscheiden. Ich sage offen wie sie entstanden sind, und gerne auch warum so, dann kann jeder selbst interpretieren.