Die Kunst der Blindverkostung

Kuglblitz

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Eine der interessantesten Erfahrungen bei dem Cocktailkurs, den ich kürzlich besuchte, war eine Art Blindverkostung.
In kleinen Stamperl wurde da verschiedenste Destillate und Liköre durch die Runde gereicht und mit Strohhalmen kurz geschmacklich angetestet. Und ich muss zugeben, dass ich mich oft kolossal geirrt habe oder überhaupt auf der Leitung stand. Klar, ohne gutes Glas und mit einer minimalen Probe auf der Zunge ist das Verkosten wirklich sehr schwer.

Die Thematik hat mir allerdings keine Ruhe gelassen und so startete ich kürzlich eine kleine Blindverkostung zu hause:
Vier gleiche Nosing-Gläser, vier farblich und vom Alkoholgehalt wie vom Geschmack ähnliche Spirituosen und schon geht's los.
Die Gläser werden am Boden verdeckt gekennzeichnet, dann wird eingeschenkt (ca. 1,5 - 2 cl), die Gläser werden vertauscht und dann vor mir aufgestellt (siehe Fotos).

Und ich muss sagen, das ganze ist wirklich schwierig, auch dann, wenn man glaubt, Spirituosen "blind" erkennen zu kennen.
Denn die Nase ermüdet schneller, als ich dachte, vor allem bei höheren Alkoholgehalten.
Dennoch war ich nicht schlecht und habe bei den ersten beiden Tastings 6 von 8 Proben richtig erkostet. 8)

Das besonders schöne dabei ist aber vor allem, dass man Spirituosen vorurteilsfrei begegnet und teilweise neu kennen und schätzen lernt. Das alleine ist die Mühe wert.

Hier die Spirituosen der beiden Tastings:

1. Bourbon
- Marker's Mark 45%
- Four Roses 40%
- Jack Daniel's No. 7 40%
- Four Roses Single Barrel 43%

2. Gin
- Bombay Sapphire 47%
- Plymouth Gin 47,3%
- Hendrick's 44%
- Tanqueray 47,3%

http://666kb.com/i/bs7kzvuatvms12um4.jpg

http://666kb.com/i/bs7l0iv4axgi7g7ek.jpg
 
Das besonders schöne dabei ist aber vor allem, dass man Spirituosen vorurteilsfrei begegnet und teilweise neu kennen und schätzen lernt. Das alleine ist die Mühe wert.
Was hast du denn an neuen Kenntnissen über die verkosteten Bourbons/Gins gewonnen?
 
Die Gläser werden am Boden verdeckt gekennzeichnet, dann wird eingeschenkt (ca. 1,5 - 2 cl), die Gläser werden vertauscht und dann vor mir aufgestellt (siehe Fotos).

...das hast du aber nicht alleine gemacht oder? wär sonst irgendwie eine kunst für sich :D

ansonsten finde ich solche experimente top. btw sind auch bars gut dafür geeignet...probieren...raten und dann den barkeeper fragen. in cocktails oder pur...bartender sind da wirklich behilflich...manche geben einem auch hilfreiche tips im bezug auf "markante eigenschaften einzelner spirituosen"...auf die man selbst vielleicht garnicht geachtet hat
 
Das ist ne nett idee! Das muss ich auch mal machen.
 
Was hast du denn an neuen Kenntnissen über die verkosteten Bourbons/Gins gewonnen?

Absolut gesehen eigentlich keine, denn die Spirituosen riechen bzw. schmecken im Grunde genommen gleich, egal ob blind oder wissend verlostet. Am Ausgangsstoff ändert sich ja nichts.
Was sich jedoch ändert ist die Funktion des Geschmacks. Wenn wir wissen, was wir trinken, konzentrieren wir uns primär auf unsere Bewertung (gut/schlecht etc.) und versuchen ev. einzelne Aromen zu erkennen.
Hier jedoch, bei einer Blindverkostung, muss sich unser Geschmack erinnern, dient der also dazu, Aromen nicht nur zu mögen und zu benennen, sondern zu identifizieren ("dieses Aroma passt zu dieser Marke bzw. Flasche").

Meine Erkenntnisse dabei waren also:
* Duft- und Geschmackserlebnisse eines Glases entwickeln sich schneller als ich dachte. Lag es am Glas oder an mir selbst, jedenfalls ist es nicht einfach, Aromen klar einer Probe zuzuordnen. Was bei einer gute Spirituose ein Qualitätsmerkmal ist - das Wechselspiel der Aromen - wird hier leicht zur Falle.

* Bestimmte Spirituosen ließen sich am besten noch über den Körper erraten (Marker's Mark, Plymouth Gin). Die Weichheit auf der Zunge war einfach konstanter als jene der Aromen. So schrieb ich bei Marker's Mark: weich, ölig, chremig.

* Die Bewertung der Qualität zwischen günstigen und teuren Spirituosen spielt sich, wenn man weiß, was man trinkt, sehr im Kopf ab (Marketing). So fand ich bei den ersten Schlücken den Four Roses gegenüber dem Four Roses Single Barrel süßer und aromatischer. Die Weichheit und die Milde des Four Roses Single Barrel war daneben sehr schwer zu (er)schätzen, ganz anders also, wen ich den Single Barrel solo trinke.

* Gin: sehr schwer blind zu vergleichen, erstens wegen dem doch recht hohen Alkoholgehalt, zweitens wegen der Vielzahl an Aromen. Nase und Gaumen sind da wirklich schnell verwirrt. Den Plymouth erkannte ich wie gesagt am weichen Körper, den Hendrick's letztendlich an seinen ganz eigenen blumigen Noten. Bombay Sapphire und Tanqueray (da oute ich mich jetzt) hab ich jedoch verwechselt. Beim Bombay Sapphire notierte ich: sehr würzig, floral, beim Tanqueray fein, mild, vielschichtig. Es war die Feinheit und die Milde, die ich fälschlicherweise dem Bombay Sapphire zuordnete und die Würzigkeit, die mich den Bombay Sapphire für den Tanqueray halten ließ. Die ebenfalls dort notierten floralen Noten hätten mich warnen müssen, aber da ging meine Erinnerung eher Richtung Hendrick's alr Richtung Bombay Sapphire etc.

Fazit: Blindverkostung macht Spaß. Und es ist Arbeit, verunsichernde Arbeit. Aber ich denke, man kann es trainieren.
Ich mach es so, dass ich jene Spirituosen, die ich verwechselte, in eine neue Runde einbette, ich denke, dass man sie so wirklich gut kennenlernt.

Was ich übrigens gerne ein mal machen würde, ist eine Bildverkostungsrunde, also ein alkoholisches Ratespiel. ;D
 
...das hast du aber nicht alleine gemacht oder? wär sonst irgendwie eine kunst für sich :D

Das ist eigentlich nicht schwer. Am besten, man denkt gleich beim einschenken an etwas anderes, etwa an ein schwer zu merkendes Rezept. Da ist das Hirn dann schön abgelenkt. Die Gläser stell ich nach einer ersten Vertauschungsrunde (immer an des Rezept denken und nicht wirklich bewusst auf die Gläser schauen) dann auf ein Tablett, das ich dann zusätzlich noch rotieren lasse.
Bei vier Gläsern verliert man so sehr schnell den Überblick.
 
Also was ich mir eben beim lesen überlegt habe, ob es vllt auch Sinn macht, wenn man zB. 10 Gins hat, dass man davon einer anderen Person 4 aussuchen lässt die man dann Blind "tasted"...
weil ich denke, wenn man weiß, dass zB. ein Bombay, ein Tanq und ein Hendricks dabei ist, versucht man zwanghaft herauszufinden welcher gin der bombay ist, welcher der tanq usw.
Oder aber ich habe das eh falsch verstanden und eigentlich ist es das Ziel herauszufinden welcher gin welcher ist?!

EDIT: habe gerade oben nochmal gelesen, dass es ja das Ziel war das herauszuschmecken, welche spirituose welches glas ist....aber trotzdem wäre es schwieriger, wenn man nicht mal weiß welche gins dabei sind....(aus zB 10 gins 4 zum testen)
 
Natürlich, es gibt sozusagen verschiedenen Schwierigkeitsgrade, so wie beim klettern (wobei eine Blindverkostung in einer steilen Bergwand wohl eine eigene Herausforderung wäre ;D ):

1. Vergleich von bekannten Spirituosen, die Auswahlstoffe sind benannt
2. Vergleich von bekannten Spirituosen, die Auswahlstoffe sind nicht benannt
3. Vergleich von unbekannten Spirituosen, die Auswahlstoffe sind benannt
4. Vergleich von unbekannten Spirituosen, die Auswahlstoffe sind nicht benannt

Die Auswahl kann gänzlich offen (also etwa Liköre und und Spirituosen in einer Runde) bis zu Spezialisierung gehen (z.B. Jahrgangsabfüllungen bei Single Malte der selben Destilliere).
Wenn man es alleine macht, ist die Farbe natürlich gleich zu wählen, in der Gruppe sind jedoch alle Varianten denkbar.


 

Natürlich, es gibt sozusagen verschiedenen Schwierigkeitsgrade, so wie beim klettern (wobei eine Blindverkostung in einer steilen Bergwand wohl eine eigene Herausforderung wäre ;D ):

1. Vergleich von bekannten Spirituosen, die Auswahlstoffe sind benannt
2. Vergleich von bekannten Spirituosen, die Auswahlstoffe sind nicht benannt
3. Vergleich von unbekannten Spirituosen, die Auswahlstoffe sind benannt
4. Vergleich von unbekannten Spirituosen, die Auswahlstoffe sind nicht benannt

5. Königsdisziplin: Verkostung einer einzelnen, unbekannten Spirituose ohne Vergleichsprodukte, die Auswahlstoffe sind nicht benannt
Erst hier zeigt sich, ob man das Produkt im Aufbau wirklich verstanden hat.
 
Nach langer Zeit hier wieder mal eine Replik:
Ich find' Blindverkostungen nach wie vor extrem spannend, wobei mE 90% über die Nase läuft bzw. man sich viel Zeit nehmen muss.

Ich hab' bis dato dabei extrem viel gelernt, viel Respekt vor "großen" Marken verloren und freu' mich wie ein Kind, wenn ich - was gar nicht so selten ist - dabei ins Schwarze treffe. :)
 
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