Die gefährliche Zitrone...

frieg

Mitglied
Hallo zusammen,

ich will hier mal als so mittelmäßig erfahrener mal nach meinem letzten Cocktailabend eine Frage an die Profis stellen.

Und zwar geht es um die Zitrone, die frisch gepresste. Das passiert mir selten, aber dieses mal bei einem Drink wieder, dass mir die Zitrone den Cocktail unrettbar versaut hat.
Das war in diesem Fall ein Corpse Reviver #2, in den ich sportlich die 3cl frische Zitrone reingepresst hatte. Beim abschmecken danach fiel aber sofort ein extrem dominanter, penetrant saurer Zitronengeschmack auf. Dem war auch mit Zuckersirup nicht beizukommen. Habe dann eine neue Zitrone genommen, war vorsichtiger mit der Menge, dann war er topp. Den Mix vorher habe ich dann selbst getrunken, den konnte ich so nicht mit gutem Gewissen aus der Hand geben. Hat außer nach Zitrone nach eigentlich nichts anderem geschmeckt. Auch nach einem Haufen Zuckersirup nicht. Dann war er süß, mit Zitronengeschmack o_O

Es scheint irgendwie ab und zu einzelne Zitronen zu gebenen, die geschmacklich ins Extrem aus der Reihe tanzen. Das ist mir aber bisher glaube ich nur mit den Zitronen aus dem LIDL passiert (vermute ich).

Gibt es da bestimmte Sorten oder Qualitäten, die für dafür anfällig sind? Oder muss man generell damit rechnen, macht erstmal weniger Zitrone rein, schmeckt dann ab und gibt dann Zitrone nach? Ist das ein allgemeines Problem, wenn ja, wie geht ihr das an? Die Zitrone vorher einmal pur schmecken und zur Seite tun wenn sie so ein Kandidat ist?

 
Zitrusfrüchte sind je nach Sorte und Alter unterschiedlich im Geschmack. Ich fange in der Regel mit dem Süß-Sauer-Mix an und schmecke ihn ab. Dann erst kommen die Spirituosen dazu und je nach Cocktail wird noch einmal probiert ob es passt ...
 
Mich persönlich verwundert dieses Thema immer wieder. Trotz Tausenden von Drinks hatte ich das Problem bisher nicht. Da ich Mutationen bei euch ausschließe ;D, stammen die Zitrusfrüchte in Wien oder dem Teil von Wien wo ich einkaufe wohl alle von einem Großlieferanten. Daher habe ich hier immer eine gewisse Produktstabilität.

Möglich wäre auch ein sehr hoher Anteil an Ölen in deiner Schale, da würde Nachzuckern auch wenig helfen.
 
Generell:
Wenn du dir meiner Zutat nicht sicher bist, mach bewusst etwas weniger rein und schmecke dann ab.
 
Das ist mir in dieser krassen Auswirkung auch noch nie passiert, klar gibt es mehr und weniger saure Zitronen aber die Bandbreite ist doch eher gering.

Bei subtilen Rezepten wie dem von dir erwähnten Corpse Reviver #2 (oder einem Aviation) mische ich den süß-sauer Mix zuerst und schmecke ab bevor ich die Basisspirituose und ggf. weitere Zutaten hinzugebe, bei den eher verzeihenden Sours gehe ich auch schon mal beherzter ran und presse (für eine 6-3-2 Mischung) eine halbe Zitrone in den Shaker, das sind dann je nach Größe der Zitrone ca.2 - 3 cl Saft und der Sour ist dann halt etwas mehr oder etwas weniger sauer. Wenn ich weiß dass jemand gerne mehr oder weniger sauer bevorzugt berücksichtige ich das natürlich entsprechend.
 
Ich hatte in letzter Zeit mehrmals das gleiche Problem, nur mit Zitronen. Allerdings kommt mir das auch erst seit kurzem unter, vorher war der Eindruck von Säure (gemessen habe ich nie) von Zitrusfrüchten über Jahre recht konstant. Vermutungen zu Ursachen überlasse ich mal Verschwörungstheoretikern.

Inzwischen gibt es ja schöne Untersuchungen zur Qualität von frisch gepressten, vorgepressten und gelagerten Zitrussäften, veröffentlicht z.B. im Buch "Craft Cocktails at Home". Diese haben mich ermutigt, meine Zitrussäfte (außer Orangensaft) grundsätzlich vorzupressen. Das hat viele zusätzliche Nutzen: Schwankungen einzelner Früchte werden abgeschwächt, ich kann wesentlich schneller arbeiten, der Saft (und auch die Drinks) schmeckt besser, ich muss nur einmal probieren, um zu wissen, wie ich an diesem Abend mit dem Saft umzugehen habe.

Ein hoch auf die Aufklärung!
 
Diese haben mich ermutigt, meine Zitrussäfte (außer Orangensaft) grundsätzlich vorzupressen. ... der Saft (und auch die Drinks) schmeckt besser ...

Warum sollte der Saft besser schmecken?

???
 
Ein Blend besser als ein Single Lemon ;D
 


Diese haben mich ermutigt, meine Zitrussäfte (außer Orangensaft) grundsätzlich vorzupressen. ... der Saft (und auch die Drinks) schmeckt besser ...[/quote]

Warum sollte der Saft besser schmecken?

???
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Absolut berechtigte Frage. Frischer Saft ist einfach ... ääh .........frischer. ;)
Sehr schön hat an verschiedenen Stellen Jörg Meyer das Thema aufgearbeitet.
Zum Beispiel hier:
http://www.jrgmyr.com/2010/09/vom-richtigen-zitronen-pressen-ein.html

Er schrieb u.a.

"Ich bin zu Herrn Giesbert und sagte Ihm er "presst falsch" - leicht verwunderter Ausdruck. Darauf bat ich Ihn mir eine Zitrone zu pressen und ich presste Ihm eine im Meyerschen Soft Pressungs Verfahren (TM). Die jeweils ca. 5 cl Zitronensaft habe ich mit gut 15 cl kühlem stillem Wasser aufgefüllt und Herrn Giesbert zum Probieren gegeben. Sein Glas war bitter und sehr sauer. Das Soft Pressungs Glas hingegen war frisch, angenehm sauer.
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Bei Zitrusfrüchten gibt es eine Menge zu beachten. ...Hier nun einige, wenige Basics:

- Starkes Pressen führt zu bitterer Säure. Man sollte leicht pressen und nicht alles rausholen. Weniger ist geschmacklich mehr.

- Zitrusfrüchte haben wie alle Lebensmittel eine Halbwertszeit. Zitronensaft kann vorgepresst werden, Limettensaft sollte nicht - Mojito Mise en place ade. Er wird Bitter. Im High End Bereich ist vorgepresster Limetten Saft ein Qualitätsminus. Wenn es meine Arbeit zulassen würde, würde ich auch jede Zitrone frisch pressen. Das muss jeder für sich entscheiden. Rein Qualitative Betrachtet ist vorbereiten ein Minus.

- Es fängt beim Einkauf an. Kaufe ich gute Früchte oder Ramsch. Gerade die "schlechten" oft billig Limetten sind klein, hart und geben wenig Saft.

- Die Mexican Elbow ist KEIN Muskeltrainingsgerät. Dieser oft gesehen London Style "letzter kräftiger Zudrücker" an der Handpresse führt weder zu einem ausgeprägtem Oberarm, noch zu einem trinkbarem Daiquiri.

- Die Lagerung der Frucht ist entscheidend. Kühlhaus, Kühlschrank? Schwierig. Kalte Früchte geben erbärmliche Säfte. Ich empfehle beim Vorpressen die Früchte vorher einige Zeit in lauwarmes Wasser zu legen. Sie geben dann deutlich besser und einfacher ihren köstlichen Saft ab.

- El Rey de Coctels - Constante aus Havana wußte es schon in den golden Zwanzigern. Über Ihn und seine Bar Commis wurden Geschichten geschrieben. Die angeblich mehr als eine Millionen Limetten die er zu Drinks verarbeitete wurden alle vorher sorgfältig auf einen großen Holzbrett mit leichtem Druck gerollt. Das bricht zum einen die Struktur im Inneren leicht auf und man erhält mehr Saft. Zum anderen rollt man einen Großteil der Bitteren Öl in der Schale schon ins Brett. Diese kommen beim Pressen nicht mehr in den Drink.
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Ein Welt Klasse Daiquiri hat wahrscheinlich mehr mir der Art und Weise der Limetten Handhabung zu tun als mit dem verwendetem Rum. Und ähnliches gilt für einen Sour, Collins, Fizz. Eine Frische Zitrone, frisch aufgeschnitten, von Hand vorsichtig gepresst, wird in diesen Getränken eine Offenbarung sein. Und da ein Großteil unserer Drinks mit Zitrusfrüchten zubereitet werden, solltest Du ... falls Du es nicht eh schon machst, mal Dein besonderes Augenmerk Deinen Zitrussäften schenken."


 
Äh ... mir ist schon klar, dass frisch gepresst besser ist. Ich kann nur nicht nachvollziehen warum "vorgepresst" jetzt noch besser als "frisch gepresst" sein soll!
 
Äh ... mir ist schon klar, dass frisch gepresst besser ist. Ich kann nur nicht nachvollziehen warum "vorgepresst" jetzt noch besser als "frisch gepresst" sein soll!

Sorry. Ich habe mich missverständlich ausgedrückt.
Ich bin ganz auf deiner Linie und zielte auf wizzard.
Auch ich kann wizzards Vor-gepresst Vor-Liebe nicht ganz nachvollziehen.
 


Äh ... mir ist schon klar, dass frisch gepresst besser ist. Ich kann nur nicht nachvollziehen warum "vorgepresst" jetzt noch besser als "frisch gepresst" sein soll!
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Sorry. Ich habe mich missverständlich ausgedrückt.
Ich bin ganz auf deiner Linie und zielte auf wizzard.
Auch ich kann wizzards Vor-gepresst Vor-Liebe nicht ganz nachvollziehen.
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Ohne eine eigene Meinung dazu zu haben: wizzard bezog sich auf ein Experiment, das der Autor von "Craft Cocktails at Home" durchgeführt hat. In diesem kommt er nach einer Versuchsreihe mit Probanden zu dem Ergebnis, dass "vorgepresster" Zitronensaft, d.h. frisch gepresster Zitronensaft, der wenige Stunden gestanden hat (max. 4 Stunden wenn ich mich korrekt erinnere), besser schmeckt als frisch gepresster Zitronensaft, der unmittelbar verarbeitet wird.
 
Ebenfalls ohne eigene Meinung:
Ich könnte mir vorstellen, dass es auch einen Unterschied macht, ob ich mehrere Zitronen vorpresse und dann nach kurzer Zeit diese Mischung verwende, oder ob ich eine oder zwei Früchte direkt in den Drink gebe.
Bei Methode 1 umgehe ich, nennen wir es mal Geschmacksspitzen, und arbeite den ganzen Abend mit einer gleichbleibenden Säure.
 
Die Verbesserung des Zitronensafts nach kurzer Lagerung könnte vielleicht mit dem Zerfall des Vitamin C zusammenhängen.
Vitamin C hat ja einen scharfen Geschmack.
 
Ich müsste erst noch nachschauen, ob das mit dem Buchkapitel identisch ist, aber Kevin Lius Meinung/Experiment zu Zitrussäften findet man auch hier:
http://drinks.seriouseats.com/2013/07/cocktail-science-using-citrus-smarter-techniques-for-better-lemon-lime-flavor-drinks-acidity-twists-citrus-peel-oils.html


Edit:
Sein Buch ist übrigens auch wegen solcher Experimente sehr empfehlenswert. Die Frische für alle Zutaten lobzupreisen kann jeder, aber wer hat tatsächlich schonmal verschieden lang vorgepresste Zitrusfrüchte gegeneinander blindverkostet? Und für 9 EUR...
 
Das widerspricht wiederum der Meinung von Jörg Meyer der Zitronensaft vorpresst, Limetten dagegen frisch presst weil diese schnell bitter werde (»Im High End Bereich ist vorgepresster Limetten Saft ein Qualitätsminus«).

Ich denke ich werde das bei Gelegenheit selbst einmal testen. Ein generelles "Vorpressen" wird es bei mir im privaten Bereich aber nicht geben da ich mich viel zu oft spontan für einen Cocktail entscheide. In Bars stellt sich dann natürlich die Frage was passiert wenn der vorgepresste Saft irgendwann alle ist … »Sorry aber der Whisky Sour dauert heute etwas länger.«

;D

 
Ebenfalls ohne eigene Meinung.

Wie wäre es denn mit einem Trinklaune-Zitrus-Blind-Tasting?

- Frisch gepresst vs. Vorgespresst
- Zimmertemperatur vs. Mikrowelle
- gerollt vs. ungerollt
- Mexican Elbow vs. Santos
- Bio vs. nicht-Bio
- …

Und dann natürlich noch alles miteinander kombiniert.

8)
 

Ich müsste erst noch nachschauen, ob das mit dem Buchkapitel identisch ist, aber Kevin Lius Meinung/Experiment zu Zitrussäften findet man auch hier:
http://drinks.seriouseats.com/2013/07/cocktail-science-using-citrus-smarter-techniques-for-better-lemon-lime-flavor-drinks-acidity-twists-citrus-peel-oils.html

Edit:
Sein Buch ist übrigens auch wegen solcher Experimente sehr empfehlenswert. Die Frische für alle Zutaten lobzupreisen kann jeder, aber wer hat tatsächlich schonmal verschieden lang vorgepresste Zitrusfrüchte gegeneinander blindverkostet? Und für 9 EUR...

Und 2,70€ für die Kindle Version!! Aber irgendwie widersprebt es mir, ein Buch für den Kindle zu kaufen, wenn ich es schon in gedruckter Form habe. Ich finde, man sollte die in so einem Fall gratis bekommen (zB mit einem Freischaltcode im Buch)

MfG
 
Wie wäre es denn mit einem Trinklaune-Zitrus-Blind-Tasting?
Tolle Idee! Aber ich denke, wir wollen Dir diese Idee nicht klauen und überlassen Dir dieses Tasting. Ergebnisse dann bitte hier posten! ;)
 
Gestern für ein Gelage von 20 Menschen gemixt (es gab hauptsächlich Caipi und einige Tequiladrinks wie den Paloma) und da fiel mir doch sehr auf, dass einige Drinks deutlich bitterer beim Abschmecken waren. Alle Limetten wurden frisch gepresst.
Die Limetten waren alle aus der selben Marge, bzw dem selben Karton.
Das Pressen der Limetten mit einem mexican elbow wurde auch nicht mit horrend unterschiedlicher Kraft getätigt (weder "softpressing" noch eine Trainingssession).
Sie wurden alle vor dem Aufschneiden gerollt.

Das Mysterium bleibt: Wieso ist manch ein Drink dann bitter und ein anderer nicht?

Zudem haben mir einige befragte Gäste erklärt, dass der Drink anfangs bitterer war und sich dann gemäßigt hat.
Natürlich spielt Schmelzwasser eine Rolle, doch glaube sind da noch mehr Dinge von Bedeutung.
Ich habe auch das "Craft Cocktails at Home" Buch und presse eigentlich gern vor solchen Abenden die Limetten und Zitronen vor.
Bei einem Cocktailtasting bei mir gab es dann auch einige Daiquirivarianten (z.B. Floradita) und da fiel es positiv auf, dass die Drinks nicht beißend sauer waren, sondern besonders viel Limettengeschmack in die Drinks kam. Vitamin C und andere bittersaure Stoffe könnten demnach oxidieren.
Laut CC@H ist das ideale Zeitfenster für Limetten zwischen 4 und 10 Stunden.

Ich plädiere, diese Angelegenheit genauer zu untersuchen, da Zitrusfrüchte ja einen elementaren Stellenwert bei der Cocktailkunst darstellen. :p

Ich werde mich die Tage mal mit einem Limettenversuch aufhalten. Trotzdem wär ich über andere Erfahrungen und Tests auch ganz glücklich.
 
Spannendes Thema.
Ich persönlich bin nach langem Forschen
zu einer recht simplen Erklärung gekommen:
Zitronen und Limetten sind Naturprodukte und diffferieren somit.
Punkt.

Dass die Zitronen in einer Kiste vergesellschaftet sind,
bedeutet nicht, dass sie vom selben Strauch stammen.

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Dass Zitronen sehr wechselfreudig sind, wusste schon Heinz Erhardt:
Warum sind die Zitronen sauer?
http://www.youtube.com/watch?v=FnnDR0BLr0I
 
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